„Die meisten Leute können und wollen auch etwas“: Adelheid Biesecker (l.) im Gespräch mit Judith Pühringer

Text: Silke Ruprechtsberger

Film: Günther Gann

Die  – laut Eigenbezeichnung – „sozialökologische Ökonomin“ Adelheid Biesecker hat die Feier zum 20-jährigen Jubiläum von arbeit plus Salzburg mit einem beeindruckenden Festvortrag bereichert. Ihr Credo: Unser gängiges Konzept von Erwerbsarbeit greift zu kurz, denn es ist nicht lebensfreundlich, nicht geschlechtergerecht und es schädigt die Natur. Im Gespräch mit Judith Pühringer erklärt die Wissenschaftlerin ihr erweitertes Arbeitskonzept. „Das Ganze der Arbeit ist viel vielfältiger als die Erwerbsarbeit“, betont Biesecker. Zusätzlich zur Erwerbsarbeit nennt sie als weitere Dimensionen von Arbeit die großtenteils Frauen zugeordnete unbezahlte Sorgearbeit in Familien und Nachbarschaften, die Arbeit an sich selbst sowie zivilgesellschaftliches Engagment. Biesecker: „Alles das sind Arbeiten, die aber nicht als Arbeit anerkannt werden.“

Vor diesem Hintergrund plädiert Biesecker für eine Umwertungsdebatte in der Gesellschaft. Es stelle sich aber auch die Zeitfrage: „Ich sage immer, wir haben nicht so viel Zeit für Erwerbsarbeit, wir haben so viel anderes zu tun. Wir brauchen also eine Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit“, ist die Ökonomin überzeugt. Für Menschen, die in der jetzigen Erwerbsarbeitsgesellschaft nicht Fuß fassen können, brauche es zudem Strukturen wie die Sozialen Unternehmen von arbeit plus.

Konkurrenzgesellschaft lässt viele zurück

„Wir sind eine Konkurrenzgesellschaft, es geht immer um Effizienz und Effizienz, da passen viele nicht mehr.“ Dies umso mehr, als im Zuge der Digitalisierung Schätzungen zufolge bis zur Hälfte der Arbeitsplätze wegfallen könnten: „Das ist vielleicht zu viel, aber vieles der einfachen Arbeiten, aber auch der mittleren, der Bürotätigkeiten, wird auf Dauer durch Roboter gemacht“, so Biesecker.  Es sei also keine Hobbydebatte, die wir führen:  „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir künftig anders arbeiten.“ Eine weitere wichtige Herausforderung  sei ein ökologisch nachhaltiges Wirtschaften, das der Natur  Zeit zur Regeneration lässt.

Möglichkeitsräume für ein gutes Leben

Biesecker: „Menschen, die nicht so ohne weiteres in die Erwerbsarbeit hineinkommen, brauchen Unterstützung, aber vor allem brauchen sie auch Wertschätzung. Hartz IV-Leute verlieren ihre Würde. Sie werden Klienten des Sozialstaates und sie werden bestraft für alles Mögliche. Sie sind eigentlich gar kein selbstständiger Mensch. Gutes Leben heißt, dass ich von der Gesellschaft Möglichkeitsräume bekomme.“ Denn: „Kein Mensch hält ein Leben ohne Wertschätzung aus.“ Und: „Die meisten Leute können und wollen auch etwas.“